Tellerminen im Alumnat

Schon seit Tagen waren nach dem Abendessen Teller mit auf die Zimmer genommen worden. Besonders im dritten Stock, bei den Ältesten, sammelten sich stapelweise diese zerbrechlichen Porzellane. Keiner wusste eigentlich warum. Aber die Zahl der hochgeschleppten Teller konnte eigentlich nur mit dem zunehmend dürftigeren Abendessen korrelieren. So sehr sich Tante Lollo auch bemühte unseren Hunger zu stillen so fehlte doch die zu diesem Behufe notwendige Leberwurst. Ein Kontrollgang einiger Abiturienten in den Vorratskeller hatte ohnehin deutlich werden lassen, dass eigentlich kein Hunger geschoben werden musste. Wo war also das Problem. Tante Lollo hätte uns gerne auch noch die 16. Scheibe Wurstbrot gegeben, aber von einem flotten "ut desint vires..." wird man ja auch nicht satt. Kurz und gut, eines abends ging es los. Ich weiß nicht mehr, wer den ersten Stein, äh. Teller geworfen hat. Es machte auf jeden Fall einen Heidenspaß. Die Teller im Formationsflug vom 3. Stock ins Parterre zu befördern - die Schwerkraft tat das ihre. Es kam wie es kommen musste: Hausvater rief die Kirchenpolizei in Gestalt von Pfarrer Rehorst, die die als Rädelsführer identifizierten Alumnen Harald Dankert, Axel Dilthey, Ernst Kinder, Klaus Schulte und Michael Stadler festsetzte und sofort ein Standgericht organisierte. Nach zwei Stunden Beratung wurde das Urteil gesprochen: Verweis aus dem
Alumnat - lebenslänglich.

Die Geschichte nahm noch eine interessante Wende. Bisher war es die Regel, dass, wer aus dem Alumnat flog, auch automatisch das Gymnasium Arnoldinum verlassen musste. War es, weil wir 4 Monate vor dem Abitur standen, war es, weil Direx Kunze ein Einsehen hatte oder war es, weil das Lehrerkollegium längst eine solche Aktion prognostiziert hatte - wir werden es heute nicht mehr klären können, vielleicht war es auch eine Kombination dieser Gründe. Auf jeden Fall durften wir die Schule bis zum Abitur weiter besuchen (länger hätten wir es sowieso nicht gewollt).

Eine weitere Vignette dieses Vorfalls soll nicht unerwähnt bleiben. Die 5 aufständischen Alumnen hatten innerhalb von 24 Stunden neue Unterkünfte in Burgsteinfurt gefunden. War es, weil die Bevölkerung von Burgsteinfurt ein Einsehen hatte, war es, weil wir eine Menge hübsche Fürsprecherinnen in der Bevölkerung hatten oder hatte es nur den trivialen Grund, dass die katholische Bevölkerung den Protestanten gern eins auswischen wollte? Die Fünferbande genoss auf jeden Fall die neue Freiheit und nutzte die katholischen Studierzimmer für intensive Vorbereitungen auf das Abitur, das wir dann auch alle bestanden haben.